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für Handwerker, Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) und Mittelständler

Nachhaltigkeit: Wie Kreditinstitute Ihr Unternehmen bewerten
Teil I: Die Grundlagen

Archiv: www.methoden-fuer-kmu.de

 

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Nachhaltigkeit = Umwelt, Soziales, Unternehmensführung = E-S-G

Wenn wir heute über Nachhaltigkeit sprechen und schreiben, reden und schreiben wir meistens über die Umwelt. Umwelt ist aber nur einer von drei Aspekten der Nachhaltigkeit im Sinne der Gesetzgebung in der EU und in Deutschland. Alle drei Aspekte werden mit dem englischen Kürzel „E-S-G“ beschrieben:

•  E = Environment = Umwelt
•  S = Social = Soziales
•  G = Governance = Unternehmensführung

Für größere Unternehmen ist bereits eine Berichterstattung über ihre ESG-Situation verpflichtend bzw. diese wird in den kommenden Jahren verpflichtend werden. Aber auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden zunehmend angefragt, über ihre ESG-Situation zu informieren und zwar von Lieferanten, Kunden, Kreditgebern und Mitarbeiter*innen (heutige und zukünftige).

Die drei Aspekte E, S und G bieten natürlich unternehmerische Chancen mit Blick auf die Märkte und ihre weiteren Entwicklungen. Und für viele Unternehmerinnen und Unternehmer ist es schon aus der eigenen Überzeugung heraus klar, dass sie sich verantwortlich um diese Aspekte in ihrem Geschäftsmodell und in ihrer Tagesarbeit kümmern.

Und natürlich beinhalten diese drei Aspekte auch unternehmerische Risiken z.B. in Form von Entscheidungen, die sich später als ungünstig oder gar falsch herausstellen und in der Form, dass Unternehmen sich vielleicht nicht (genug) um diese Aspekte kümmern.

ESG-Risiken: Riesenthema für Kreditinstitute

 

Mit den Risiken sind wir bei den Kreditgebern. Denn natürlich schauen diese sehr bewusst auf mögliche Risiken ihrer Kredite, die aus den drei Aspekten E, S und G entstehen könnten. Dahinter steht immer die Frage: Wird mein Kreditnehmer während der Laufzeit meines Kredites immer in der Lage sein, Zins und Tilgung (Kapitaldienst) pünktlich und vollständig zu erbringen? Oder könnten unternehmerische Risiken auch durch schlechte Entscheidungen oder Nichtstun mit Blick auf die drei Themen E, S und G entstehen, die in der Folge den Kapitaldienst für die gegebenen Kredite gefährden könnten?

Die Bankenaufsicht BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) hat mit der 7. Novelle ihrer MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute) vom Sommer 2023 klar festgelegt, dass Banken und Sparkassen alle ihre Geschäfte auch auf mögliche ESG-Risiken hin analysieren müssen. Die BaFin unterscheidet dabei zwei Risikoarten:

•  Physische Risiken: Hier geht es tatsächlich um große Umweltrisiken, die ein Unternehmen von außen treffen können, wie z.B. Überschwemmungen und Dürreperioden.

•  Transformatorische Risiken: Damit sind mögliche Risiken aus der Umstellung bzw. Veränderung des Unternehmens (Prozesse, Geschäftsmodell, . . .) mit Blick auf alle drei Faktoren E, S und G gemeint wie z.B. Fehler bei der Umstellung oder eine nicht schnell oder konsequent umgesetzte Umstellung oder gar das Negieren einiger oder aller drei Dimensionen der Nachhaltigkeit.

Kreditgeber entwickeln Systeme, mit denen Sie die ESG-Situation ihrer Kreditnehmer bewerten können. Diese Systeme werden „ESG-Scorings“ genannt. Der Begriff „Scoring“ wird vielfach genutzt; so bezeichnet er z.B. im Basketball einen detaillierten Spielbericht oder Klassifizierungssysteme in der Medizin.

Über das ESG-Scoring der Kreditgeber müssen Sie reden

 

Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Und eigentlich darf man davon ausgehen, dass die Initiative dazu von den Kreditgebern ausgeht, die ihre Kunden bewerten. Die Erfahrungen mit dem Rating der Kreditinstitute zeigen aber, dass Banken und Sparkassen dazu sehr unterschiedlich kommunizieren: Von aktiv über Nachfrage bis zur Verweigerung. Und die Rückmeldungen aus den Unternehmen legen nahe, dass die Kommunikation überwiegend „sehr zurückhaltend“ ist.

Daher ist zu befürchten, dass dies beim Thema ESG-Scoring nicht viel anders sein wird. Also wird auch hier gelten: Sie als Unternehmen sollten und müssen das Thema ansprechen und erfragen, wie Ihr Unternehmen bewertet wird und welche Erwartungen Kreditgeber ggf. an die Weiterentwicklung Ihres Unternehmens bei den Themen E, S und G haben. Oder anders ausgedrückt: Welches die Bewertungskriterien Ihrer Kreditgeber in den Scoring-Modellen sind?

Für diese Gespräche mit Ihren Banken und Sparkassen möchte ich mit diesem Beitrag eine erste Basisinformation geben.

ESG-Scoring der Sparkassen und GenoBanken: Die Bewertungsskala

DieSparkassen und Genossenschaftsbanken verwenden eine fünfstufige Bewertungsskala mit den Buchstaben A, B, C, D und E. Dabei ist A die beste Beurteilung und E die schlechteste.
Für die Genossenschaftsbanken gilt dabei folgende Bewertung innerhalb dieser fünf Stufen (für die Sparkassen ist mir die Bewertung in der Abstufung A bis E nicht bekannt):

Note

Wertebereich

Bedeutung

A

0 – 19 Punkte

Die Branche weist sehr geringe Nachhaltigkeitsrisiken auf

B

20 – 39 Punkte

Die Branche weist geringe Nachhaltigkeitsrisiken auf

C

40 – 59 Punkte

Die Branche weist mittlere Nachhaltigkeitsrisiken auf

D

60 – 79 Punkte

Die Branche weist erhöhte Nachhaltigkeitsrisiken auf

E

80 – 100 Punkte

Die Branche weist hohe Nachhaltigkeitsrisiken auf


Die Punktzahlen der Notenstufen ergeben sich aus den Score-Werten der einzelnen Bereiche und Fragen. Achtung: Es handelt sich um eine sog. ordinale Skala. Das bedeutet: Eine Verdoppelung der Punktzahl beinhaltet nicht eine Verdoppelung des Risikos.

ESG-Scoring: Bewertung der Nachhaltigkeit Ihres Unternehmens

Also entwickeln Banken und Sparkassen derzeit diese Scoring-Modelle, mit denen sie die ESG-Risiken ihrer Kreditnehmer bewerten. In einem ersten Schritt werden in diesen ESG-Scoring-Verfahren die Unternehmen noch nicht individuell bewertet, sondern auf Basis von zwei allgemeinen Dimensionen:

•  Branchenzugehörigkeit: Diese wird ermittelt aus dem WZ 2008 des Statistischen Bundesamtes. Über die Branche werden die transitorischen Risiken beurteilt.

•  Standort: Dieser ergibt sich aus der Postleitzahl. Über den Standort werden die physischen Risiken bewertet.

In diesem ersten Schritt nehmen die Kreditinstitute also eine sehr pauschale Bewertung vor. Diese basiert zwar im Rahmen der Branchenbeurteilung auf einer Vielzahl von ESG-Faktoren. Aber natürlich kann diese Vorgehensweise nicht die individuelle Situation der Stärken und Schwächen eines Unternehmens in seiner Branche abbilden. Dies zeigt sich beispielhaft an einigen Branchenbewertungen aus dem Sparkassen-ESG-Scoring:

Branche

Bewertung

Gesundheits- und Sozialwesen

A

Baugewerbe

B

Gastgewerbe

B

Verarbeitendes Gewerbe

C

Verkehr und Lagerei

C

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

D

Energieversorgung

D


Die Branche „Verarbeitendes Gewerbe“ ist so breit gefächert, dass es eine einheitliche Bewertung für alle dort enthaltenen Untergruppen per se eigentlich unmöglich erscheint. Das gleiche gilt für alle anderen hier aufgeführten „Branchen“. Denken Sie nur an Land- und Forstwirtschaft und dort ganz plastisch an einen extensiv wirtschaftenden Schweinezuchtbetrieb und einen breit aufgestellten Bioland-zertifizierten Betrieb mit eigenem Hofladen. Damit wird deutlich, was weiter oben postuliert wurde: Über das ESG-Scoring müssen Sie reden – zum Beispiel über die folgenden Themen:

•  Branchenzugehörigkeit: Welcher Branche nach WZ 2008 ist Ihr Unternehmen zugeordnet? Ist diese Zuordnung überhaupt zutreffend? Welche Besonderheiten zeichnen Ihr Unternehmen im Vergleich zum Branchendurchschnitt aus, die die ESG-Risiken für die Kreditgeber reduzieren!
Den Branchenschlüssel WZ 2008 können Sie beim Statistischen Bundesamt herunterladen.

•  Standort: Wenn Ihr Unternehmen mehrere Standorte hat – welchen hat Ihre Bank für die Bewertung genommen? Und ist dies der wirklich relevante Standort? So könnte z.B. ein Bäckereifilialbetrieb 23 Filial-Standorte haben und einen Backbetrieb. Die Bank hat den Gründungsfilialstandort als Anschrift im System und bewertet. Wirklich relevant ist für das Gesamtunternehmen aber der Produktions-Standort mit seinen eventuellen physischen Risiken z.B. mit Blick auf mögliche Betriebsunterbrechungen.

ESG-Scoring: Faktor Ihrer Verhandlungsposition gegenüber Kreditgebern

Ihre Verhandlungsmachtposition in Kreditgesprächen hängt von drei entscheidenden Parametern ab (mehr dazu lesen Sie in den angegebenen Kapiteln in meinem Buch „Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln“ - 3. Auflage, September 2021, NWB-Verlag):

•  Bewertung Ihres Unternehmens im Rating der Bank (Kapitel 4.2 Risikoklassifizierung oder Rating)

•  Ergebnis der Kapitaldienstfähigkeitsberechnung durch die Bank (Kapitel 4.4 Kapitaldienstfähigkeitsberechnung)

•  Sicherheitenposition der Bank (Kapitel 8 Sicherheiten – Die Sichtweise der Kreditgeber verstehen)

Das ESG-Scoring tritt jetzt als vierter Parameter hinzu.

Für Ihre Verhandlungsposition in Kreditgesprächen ist entscheidend, dass Sie vor dem Kreditgespräch alle vier Parameter für Ihr Unternehmen realistisch einschätzen können.

ESG-Scoring: Die Strukturen der Bankensysteme im Detail

Im Teil II werden Sie lesen, wie die ESG-Scoring-Systeme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Detail aufgebaut sind. Teil II wird mit dem Newsletter am 21. Mai 2024 auf Ihren Bildschirm kommen.

Im Teil III, der mit dem Newsletter vom 17. Juni 2024 zu Ihnen kommen wird, geht es dann um die Frage, mit welchen Informationen zur individuellen Situation Ihres Unternehmens Sie den ESG-Score beeinflussen können.

Wenn Sie die Teile II und III automatisch auf Ihrem Bildschirm haben möchten, abonnieren Sie meinen monatlichen Newsletter.

ESG-Themen: Ihr pragmatischer unternehmerischer Ansatz

Was Sie auch jetzt schon tun können, ohne die Strukturen der Banksysteme im Detail zu kennen:

•  Sprechen Sie mit Ihren Banken und Sparkassen und lassen Sie sich deren Systeme erläutern und fragen Sie schon mal, ob Ihre Branche mit A, B, C, D oder E bewertet ist.

•  Sammeln Sie alle Aktivitäten in Ihrem Unternehmen, die zu den drei Themenbereichen E, S und G gehören. Auch wenn Sie die genauen Bewertungskriterien der Kreditinstitute noch nicht kennen: Was fällt Ihnen selber dazu ein?! Und fragen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu – die haben oft einen anderen und ergänzenden Blickwinkel. Und führen Sie diese Auflistung weiter fort. Mit den Teilen II und III werden Sie dazu weitere Details erhalten.
Arbeitsblätter dazu als Muster oder Vorlagen finden Sie in den zwei Beiträgen auf www.methoden-fuer-kmu.de unter „10. Nachhaltigkeit“.

Fragen zur Umsetzung in Ihrem Unternehmen

Sie möchten sich zur Umsetzung dieses "Aktuellen Themas" austauschen, haben Fragen dazu - sprechen Sie mich gerne an für einen unverbindlichen Erstkontakt: 02131-660413 oder info@cd-sander.de.

Ihre Anregungen

Ich freue mich über Anregungen zu weiteren Themen oder Akzenten, die Ihnen wichtig sind und die auch anderen Unternehmen Impulse geben können. Sprechen Sie mich gerne an: 02131-660413 oder per E-Mail.

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